Skandinavien ist eines meiner liebsten Reiseziele, ich liebe die Landschaften und schätze die freundliche Zurückhaltung der Menschen dort, beziehungsweise die Möglichkeit der eigenen Spezies dank der Weite des Landes auch einfach aus dem Weg zu gehen. Norwegen hatte ich bisher viermal im Sommer besucht. Diesmal wählte ich den Frühling, in der Hoffnung diese besondere Übergangszeit mit Schnee auf den Bergen und Obstbaumblüte im Fjord auch fotografisch einfangen zu können. Konkretes Ziel meine Rundfahrt war der nördliche Teil der Region Vestlandet (Westnorwegen). Hier die Route, ausgehend von Flughafen Gardermoen bei Oslo (südlich außerhalb der Karte). Insgesamt waren es inkl. Tagesausflüge dann etwa 2000km mit dem Mietauto:
Wer mich kennt, weiß dass ich Regen und Schnee liebe, allerdings mit einer Ausnahme, nämlich dann wenn ich versuche Fotos zu machen. Was das betrifft, hat mich der norwegische Frühling auf eine harte Probe gestellt. Von 10 Reisetagen fiel nur an einem einzigen Tag kein Regen. Die Temperaturen lagen tagsüber meist um die 9 Grad, zweimal erlebte ich leichten Schneefall, blauen Himmel musste ich mir meist aktiv suchen. Die Tatsache, dass ich allein unterwegs war, machte mich aber entsprechend flexibel und so täuschen die Fotos über das allgemein schlechte Wetter hinweg, weil ich oft in den 15 sonnigen Minuten des Tages meine Chance nutzte.
Diese Aufnahme entstand um 6:30 morgens am Pass der Trollstigen-Route. Ich war am Vorabend bereits bei strömendem Regen und Nebel an dieser Stelle gewesen. Der Wetterbericht prognostizierte aber für den folgendem Morgen drei (frühe) Sonnenstunden . Diese Chance nutzte ich und genoss das Fotowetter, trotz eisigem Wind auf 700 Metern.
Natürlich können auch bei so genanntem “schlechtem Wetter” tolle Fotos entstehen, aber die Motive sehen grundsätzlich mangels Farben düsterer aus, als bei Sonnenschein. Ich mag an sich die typischen Farben eines Regentags – braun und grün in allen Schattierungen – aber bei eigentlich bunten Motiven, wie den Häusern im Fischerdorf Bud, verblassen die Kontraste und es ist oft besser, man lässt die Farben gleich ganz weg und setzt auf ein kräftiges monochromes Bild. Natürlich habe ich hier in Photoshop ein wenig nachgeholfen, also speziell bei den Wolken den Kontrast erhöht. Dazu vielleicht kurz ein paar allgemeine Worte:
Ich bin bestimmt kein Purist in Sachen Bildbearbeitung, wenn es dem Foto hilft, schraube ich auch mal kräftiger. Meine Korrekturen beziehen sich aber in erster Linie auf Farben, Kontrast, Dynamik, nicht auf Retusche und Manipulation. Es kommt für mich darauf an, ob ich ein Bild als Fotograf oder als Grafiker anpacke. Als Grafiker ist alles erlaubt, als Fotograf lasse ich die Bildinhalte möglichst so, wie sie ursprünglich aufgenommen wurden.
In Stryn am Nordfjord bekam ich dann auch meine blühenden Obstbäume zu Gesicht. Das Grün der Blätter im Frühling ist gewaltig, die Kombination mit etwas Blau am Himmel, dem bedrohlichen Grau der Berge und den bunten Häusern ergibt ein schönes Bild.
Nahe Stryn am Ende des Lodalen bahnt sich der Gletscher Kjenndalsbreen seinen Weg ins Tal. Trotz Traumwetter (an diesem und wirklich nur an diesem einen Tag) war ich fast der einzige Wanderer, der den gemütlichen Weg zur Gletscherzunge auf sich nahm. Generell ist der Frühling natürlich angenehm, was das Touristenaufkommen betrifft. Dennoch war ich an gewissen Knotenpunkten manchmal überrascht, wie viele Reisende Ende Mai schon in Norwegen unterwegs sind. Und das obwohl viele der schönen Routen in den Bergen, je nach Schneelage, oft erst Mitte Juni geöffnet werden (was mir auch erst vor Ort so richtig klar wurde, als ich zwischen Stryn und Geiranger zwischen mannshohen Schneewänden auf einer Straße fuhr, die am Vortag noch wegen Lawinengefahr gesperrt gewesen war).
Generell lohnt es sich im Frühling besondere Vorsicht walten zu lassen. Als es am Kjenndalsbreen über mir donnerte und plötzlich eine Lawine über die Felsen schoss, machte ich zwar instinktiv Fotos, danach überlegte ich mir aber recht schnell, ob ein aktueller Aufenthaltsort eigentlich sicher war. Im Laufe meines Aufenthalts, beobachtete ich noch ein Dutzend weitere Lawinen, die an verschiedenen Stellen an den steilen Hängen abgingen. Diese Aufnahme hier entstand mit etwa 200 mm Brennweite, ich befand mich also in entsprechend sicherer Entfernung.
Ich schließe diesen ersten Blogeintrag hier mit einem klassischen Spiegelungsfoto am Lodalsvatnet. Wie ich später las, hat die dunkle Felswand zum Talende hin eine düstere Geschichte. 1905 und 1936 lösten zwei Felsstürze gewaltige Flutwellen im See aus, die über die Dörfer Bodal und Nesdal hereinbrachen. 135 Menschen starben bei diesen Katastrophen. Die Felsmassen bildeten eine Insel im See. So schön das Leben in Norwegen mit allen Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation ist, gerade an trüben Tagen, dachte ich öfter daran, wie hart das Auskommen in diesen schmalen fruchtbaren Zonen zwischen Bergen und dem Atlantik in früheren Zeiten gewesen sein musste.
Ich freue mich über Kommentare zu den Fotos und der Reise und beantworte gerne auch Fragen.